Einleitung
Die Onsite-Suche entscheidet im E-Commerce oft über Kauf oder Absprung. Gerade im B2B-Bereich ist das eine besondere Herausforderung: komplexe Sortimente, viele Synonyme, unterschiedliche Schreibweisen und branchenspezifische Begriffe machen es schwer, Kunden schnell zu den richtigen Produkten zu führen.
Im Rahmen eines Projekts zur Optimierung der Onsite-Suche eines B2B-Retailers durfte ich die Einführung von SearchHub begleiten. Dabei wurde schnell deutlich: SearchHub ist keine klassische Suchmaschine. Vielmehr analysiert die Lösung das Suchverhalten der Nutzer:innen, erkennt Muster und bildet daraus sogenannte Intent-Cluster. Diese gebündelten Suchintentionen werden anschließend an die bestehende Suchmaschine weitergeleitet – die Ergebnisse werden dadurch relevanter, konsistenter und nachhaltiger besser.
Um tiefer zu verstehen, warum dieser Ansatz so wirkungsvoll ist, welche Rolle Intent Clustering im B2B-Commerce spielt und wie SearchHub künstliche Intelligenz nutzt, habe ich mit Siegfried Schüle, Geschäftsführer von SearchHub, gesprochen.
Da Siggi und ich uns seit mehr als 15 Jahren kennen, haben wir uns im Gespräch – wie auch sonst – geduzt.
Interview
Hallo Siggi, was war die ursprüngliche Idee hinter SearchHub – welches Problem habt ihr im Markt gesehen, dass ihr unbedingt lösen wolltet?
Das SearchHub Team besteht zum allergrößten Teil aus Menschen, die bereits viele Jahre mit klassischen Suchmaschinen – kommerziell und open-source – zu tun hatten. In Forschung, Entwicklung oder Beratung. Aus all diesen Erfahrungen hat sich eine zentrale Erkenntnis herauskristallisiert: Damit eine Suchmaschine optimale Ergebnisse bringt, muss sie gepflegt und konfiguriert werden, aber diese Aufgabe ist hochgradig langweilig und auf die Dauer mühevoll, anstrengend und eigentlich für Menschen ungeeignet. Daraus entstand die Idee eine Software zu schaffen, die datengetrieben in der Lage ist, Suchmaschinen kontextbezogen zu steuern. Quasi ein Autopilot für die Suchmaschine. Das ist SearchHub.
Gerade im B2B-E-Commerce ist die Suche besonders anspruchsvoll. Welche typischen Herausforderungen begegnen Dir hier immer wieder?
Wenn Suchmaschinen Texteingaben verarbeiten, dann erfolgt das immer mit einer gewissen Unschärfe. Aber gerade im B2B-E-Commerce ist gleichzeitig eine hohe Präzision gefragt: Entweder das Ersatzteil passt zu meiner Maschine oder eben nicht. Dieser Zielkonflikt zwischen toleranter Verarbeitung der Suchanfrage und präziser Beachtung von Randbedingungen ist ein Dauerbrenner.
Ein Klassiker im B2B-Bereich ist, dass nicht alle alles sehen dürfen. Man kann also nicht einfach pauschal in den großen Datentopf hineingreifen, sondern muss hier auch Berechtigungskonzepte und Sortimentsrestriktionen berücksichtigen.
Andererseits hat der B2B-E-Commerce auch seinen Charme: Üblicherweise wissen die Kund:innen deutlich genauer, was sie benötigen und können deswegen oft ihre Anfrage präziser formulieren oder sogar eine konkrete Modellnummer angeben. Das sind die Low-Hanging-Fruits im B2B. Gleichzeitig treten Geschmacksfragen eher in den Hintergrund, insofern ist nicht alles im B2B nur komplex.
Viele denken beim Thema Suche sofort an klassische Suchmaschinen. Kannst Du erklären, warum SearchHub keine Suchmaschine ist und worin genau der Unterschied liegt?
Eine Suchmaschine ist im Grunde nichts anderes als eine Datenbank, nur dass hier nicht konkret auf eindeutige IDs zurückgegriffen werden kann, sondern die eingegeben Stichworte als ID aufgefasst werden. Das macht allerdings die Abfragelogik deutlich komplexer. SearchHub erzeugt automatisiert eine auf den jeweiligen Suchbegriff optimierte Abfrage, steht somit einen Schritt weiter vorne.
Das Thema Intent Clustering ist zentral bei SearchHub. Was bedeutet das konkret – und warum ist es so entscheidend für eine bessere Sucherfahrung?
Was möchte ein Kunde, der nach „neemashinen“ sucht? Für uns Menschen ganz klar: Eine Nähmaschine. Dieser Wunsch des Kunden (Englisch: „Intent“) ist das einzige, was die Suchmaschine wissen muss. Wenn ich weiß, was der Kunde eigentlich wollte, dann bringt es keinen Mehrwert, der Suchmaschine die Original-Sucheingabe weiterzuleiten. Deshalb fasst SearchHub alle Sucheingaben, die letztlich dasselbe bedeuten, zusammen und baut daraus einen Intent Cluster. In jedem Cluster wird dann aufgrund der gesammelten Daten analysiert, welcher Eintrag am besten funktioniert. Dieser repräsentiert daraufhin das gesamte Cluster und wird an die Suchmaschine weitergegeben.
Welche Vorteile ergeben sich daraus für Unternehmen im Vergleich zu herkömmlichen Keyword-basierten Systemen oder Standard-Suchalgorithmen?
Es mag paradox klingen: Durch den vorgeschalteten Einsatz von SearchHub wird der gesamte Suchprozess schneller. Warum? Weil wir der Suchmaschine die Unschärfe abgewöhnen können, die sonst viel Zeit kostet. Während die Suchmaschine vorher in Echtzeit irgendwelche Ähnlichkeiten zu „neemashinen“ im gesamten Produktbestand finden musste, kann sie nun exakt nach „Nähmaschine“ abgefragt werden. Das Ergebnis sind präzisere und vollständigere Ergebnisse in kürzerer Zeit.
SearchHub analysiert das Suchverhalten und bildet Cluster – inwiefern kommt dabei künstliche Intelligenz zum Einsatz?
Ob zwei Begriffe dasselbe bedeuten oder nicht, ist oftmals eine Gratwanderung. Hier nutzt SearchHub eine ganze Bandbreite von Algorithmen, um eine optimale Balance zwischen Präzision und Fehlertoleranz zu erreichen. Das Zusammenspiel dieser Algorithmen ergibt eine künstliche Intelligenz, die automatisiert und eigenständig Entscheidungen treffen kann.
Aber nur weil SearchHub ein Cluster gebildet hat, muss das noch nicht bedeuten, dass sich darin auch zumindest ein erfolgversprechender Suchbegriff verbirgt. Um auch dann Treffer zu landen, wenn noch keine Erfolgsdaten aus dem Tracking vorliegen, erstellen wir aus den Produktdaten ein KI-Modell, das wir im Bedarfsfall anfragen können um z.B. anhand von Produktbildern oder natürlichsprachlicher Eingabe passende Produkte zu identifizieren. Damit können wir die Suchergebnisse mit KI-Vorschlägen anreichern.
Viele Tools werben aktuell mit „AI“. Wie setzt ihr KI bei SearchHub konkret ein – und wo ist es mehr als nur ein Buzzword?
Machen wir uns nichts vor: Vieles, was aktuell am Markt mit „AI“ getagged wird, sind klassische Machine Learning Prozesse. Wenn es darum geht, Trackingdaten zu verarbeiten und auf Gemeinsamkeiten zu untersuchen – dafür braucht es keine KI. Sehr viel spannender wird es jedoch, wenn es um die Validierung von Suchbegriffen geht. Und da kommen bei SearchHub Language Models sehr sinnvoll zum Einsatz. Gerade die deutsche Sprache mit ihren vielen Möglichkeiten der Komposita-Bildung erfordert hier ein hohes Maß an künstlicher Intelligenz, wenn es um die automatische Bewertung geht.
Welche Technologien oder Methoden (z. B. Machine Learning, NLP) nutzt ihr besonders stark, um Suchintentionen zu erkennen?
An dieser Stelle würde ich gerne einen Schritt zurückgehen und auf einen Aspekt hinweisen, der oft vergessen wird: Egal welche Technologien eingesetzt werden, ob klassisches Machine Learning, NLP, LLMs oder anderes: Am Ende entscheiden die Daten über die Qualität der Ergebnisse. Bei allen Diskussionen um KI wird das ignoriert. Das wichtigste Asset für SearchHub sind korrekte Trackingdaten aus der Suche. Und dazu gehört nicht nur die oft abgefragte Info, wie viel € Euro Umsatz nach Suchbegriff X generiert wurde. Unser Fokus liegt hier auf der Datenqualität, und da gehen wir oftmals auch in Vorleistung. Wer seine Daten nicht im Griff hat, sollte sehr vorsichtig sein, wenn die KI daraus irgendwelche Entscheidungen trifft.
Manche Unternehmen haben Bedenken, KI könnte wie eine „Black Box“ wirken. Wie stellt ihr Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sicher?
Wichtig ist uns im SearchHub, die Daten die wir haben maximal transparent darzustellen. Wir zeigen zu jedem Suchbegriff und zu jedem Cluster die relevanten KPIs in unserem Dashboard. Wir listen die Suchbegriffe auf, bei denen die Suche (trotz SearchHub) nicht gut funktioniert und wir geben assistierte Hinweise auf mögliche Verbesserungen. Da wo sich SearchHub nicht sicher ist, lassen wir im Zweifelsfall die Entscheidung bewusst offen bzw. legen sie einem Menschen vor.
Unser gemeinsames Projekt zeigt: Nach sechs Monaten Einsatz konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden. Welche Effekte stellen Eure Kunden typischerweise nach der Einführung fest?
Das erste große A-ha-Erlebnis kommt eigentlich schon vor der Einführung. Wenn man das erste mal die aus allen Suchanfragen erzeugten Cluster sieht und feststellt, wie unglaublich „kreativ“ die Kund:innen bei der Eingabe sind – das ist oftmals ein sehr erhellender Moment.
Nach der Einführung zeigt sich das dann aber auch in harten Kennzahlen. Direkt vom Start sinkt die 0-Treffer-Quote und üblicherweise steigen Klickraten, Warenkorbraten und auch die Conversion Rate deutlich an.
Kannst Du konkrete Beispiele oder Kennzahlen nennen, die verdeutlichen, welchen Mehrwert Intent Clustering bringt?
Die Zahlen unterscheiden sich von Projekt zu Projekt, da wir viele Variablen haben: Welche Suchmaschine läuft im Hintergrund, wie groß ist das Sortiment, wie verhält sich die Zielgruppe? In den meisten Fällen sehen wir eine Verbesserung der relevanten KPIs im Bereich von 5-10%.
Wie verändert sich die tägliche Arbeit der E-Commerce-Teams durch die Nutzung von SearchHub?
Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass die E-Commerce-Teams deutlich weniger Zeit in die Pflege der Suche stecken. Das ist immer schön zu hören, denn genau das war ja die Intention bei der Entwicklung von SearchHub.
Gleichzeitig hören wir oftmals, dass die Analytics-Systeme von SearchHub als führendes Tool zur Bewertung der Suche eingesetzt werden, hier zahlt sich unser Fokus auf Datenqualität aus.
In letzter Zeit sehen wir verstärkt die aktive Nutzung von Weiterleitungen auf Landingpages. E-Commerce-Teams fangen an, einzelne Intent-Cluster direkt auf speziell kuratierte Seiten weiterzuleiten, die genau auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnitten sind – viel besser, als das eine Suchmaschine leisten kann.
Eine sehr spannende Kennzahl ist auch die Anzahl an Beschwerden aus den Vertriebs- oder Serviceteams im Unternehmen. Frei nach dem Motto: „Nicht geschimpft ist gelobt genug“ melden uns E-Commerce-Teams immer wieder zurück, dass die firmeninternen Beschwerden über die Suche drastisch zurückgegangen sind. Das gibt Freiräume um strategische Entwicklungen voranzutreiben, anstatt im Tagesgeschäft Tickets abzuarbeiten.
Welche Entwicklungen im Bereich Onsite-Suche beobachtest Du aktuell im Markt – und wie trägt Intent Clustering dazu bei, Unternehmen zukunftssicher aufzustellen?
Wir sehen in letzter Zeit vermehrt Projekte, bei denen per Hochglanz-Slides KI-Suchmaschinen im B2B-SaaS Modell verkauft werden. Oftmals sind dabei die Folien das einzige, bei dem tatsächlich KI zum Einsatz kam. Diese API-basierten Softwarelösungen sind meistens sehr einfach anzubinden, entpuppen sich dann aber als Kostenfalle. Nicht selten werden die tatsächlich veranschlagten Kosten um ein Vielfaches übertroffen.
Intent Clustering bietet hier zwei echte Sicherheitsmechanismen:
Zum ein kann beim Einsatz von API-basierten Lösungen durch Intent Clustering eine wesentlich höhere Cache-Rate erreicht werden, so dass bereits bezahlte API-Antworten mehrfach wiederverwendet können. Dadurch sparen die B2B-Kunden bares Geld.
Zum anderen ermöglicht das Auslagern der Sprach-Komplexität den Einsatz von Inhouse-Suchmaschinen, die mit wenig Aufwand und ohne großes Expertenwissen betrieben werden können. Das gibt Unabhängigkeit von Software-Lösungen, deren Kosten und Entwicklung nur schwer beeinflusst werden können.
Wo siehst Du das größte Potenzial für den Einsatz von KI in der Onsite-Suche in den nächsten Jahren?
Eins ist klar: Natürlichsprachliche Eingabe wird in den nächsten Jahren einen immer größeren Anteil in der Onsite-Suche ausmachen. Aktuell (Herbst ’25) ist dieser Anteil jedoch noch verschwindend gering, so dass es kaum lohnt darauf zu optimieren. Das wird sich ändern, möglicherweise mit einem exponentiellen Anstieg. Darauf muss die Onsite-Suche vorbereitet werden oder noch besser modular erweiterbar sein.
Wenn ein Unternehmen heute noch zögert, in spezialisierte Suchoptimierung zu investieren: Welchen Rat würdest Du geben?
Fangen Sie mit den Daten an. Erfassen Sie die Nutzungsdaten Ihrer Suche. Analysieren Sie, wonach Ihre Kund:innen suchen und wo sie ggf. frustriert die Seite verlassen. Analysieren Sie auch, was gut läuft und wo die Trends sind. Basierend auf Zahlen, Daten und Fakten lässt sich eine Entscheidung für eine Investition in die Suche sehr viel besser begründen als nur mit einem Bauchgefühl.
Wie siehst Du Trends wie Bildersuche und GEO?
Aus meiner Sicht gibt es keinen völlig eigenständigen Trend Bildersuche. Dazu ist es technologisch zu eng verknüpft mit natürlichsprachlicher Eingabe bzw. Generative AI + LLMs. Wobei die natürlichsprachliche Eingabe nicht mehr getippt, sondern gesprochen werden wird. Das Smartphone wird hierbei Bilder und (interpretierte) Sprache an die Such-API weitergeben.
Qualitativ wird das aber nichts anderes sein, als die durch einen AI-Agenten übermittelte Anfrage. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass das Suchfeld zunehmend an Bedeutung verliert und stattdessen die Such-API bzw. Shop-API immer wichtiger wird und immer mehr von Agenten bedient werden wird, die im Auftrag der Kund:innen einkaufen. Da wo Menschen selbst in den Shop kommen, wird jedoch die klassische Suche weiterhin ihre Bedeutung behalten.


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